Das neue Gesetz zur Barrierefreiheit (BFSG): Was ab 28. Juni 2025 für Deine Website gilt
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Autor: Dmitry Dugarev
Hand aufs Herz: Ist Deine Website oder App wirklich barrierefrei? Bisher war das für viele private Unternehmen ein "Nice-to-have". Aber damit ist jetzt Schluss.
Wenn Du eine Website, einen Online-Shop oder eine App betreibst, musst Du jetzt handeln. In diesem Bereich unseres Accessibility-Hubs erkläre ich Dir, was das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) für Dich bedeutet, welcher technische Standard dahintersteckt und warum Du Dich unbedingt schon jetzt mit WCAG 2.2 beschäftigen solltest.
Was bisher galt: BITV 2.0 für Behörden
Bisher war das Thema Barrierefreiheit in Deutschland vor allem für den öffentlichen Sektor relevant. Die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV) spielte die Hauptrolle.
Mit der BITV 2.0, die 2019 kam, wurden die § 12b und § 16 Abs. 8 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) [1] umgesetzt. Öffentliche Stellen waren seitdem verpflichtet, ihre Websites und Apps barrierefrei zu machen. Das war die deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/2102 [2].
Die Betonung liegt auf: "öffentliche Stellen". Für die meisten privaten Unternehmen hatte das (noch) keine direkten Konsequenzen.
Das ist jetzt anders: Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Jetzt wird es ernst. Das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) mischt die Karten komplett neu. Die Behörden haben den Weg bereits vorgezeigt, jetzt sind private Anbieter dran.
Dieses Gesetz basiert laut § 3 Abs. 2 BFSG [3] auf der Richtlinie (EU) 2019/882 [4], die Du vielleicht besser als den European Accessibility Act (EAA) kennst. Das Ziel? Einheitliche Standards für Barrierefreiheit in ganz Europa - alle Verbraucher sollen gleichberechtigten Zugang zu Produkten und Dienstleistungen haben.
Der absolute Knackpunkt: Das BFSG verpflichtet jetzt auch private Anbieter von Produkten und Dienstleistungen. Wenn Du also zum Beispiel einen Online-Shop für Verbraucher betreibst, Software anbietest oder digitale Dienstleistungen verkaufst, bist Du fast sicher im Boot.
Wer ist vom BFSG betroffen? Sind das wirklich alle?
Es gibt erst mal eine gute Nachricht: Nicht alle Unternehmen sind betroffen. Das BFSG richtet sich vor allem an Anbieter, die Produkte und Dienstleistungen für Verbraucher bereitstellen. Dazu gehören unter anderem:
- Online-Shops und E-Commerce-Plattformen
- Banking- und Finanzdienstleistungen
- Telekommunikationsdienste
- E-Books und digitale Medien
- Software und Betriebssysteme
- Öffentliche Verkehrsmittel und Ticketing-Systeme
Wenn Du Dir unsicher bist, ob Deine Website unter das BFSG fällt, hilft Dir unser BFSG-Check weiter. Dort kannst Du schnell herausfinden, ob Du handeln musst.
Was heißt "barrierefrei" laut Gesetz? (Der technische Standard)
Okay, "barrierefrei" ist ein dehnbarer Begriff. Was genau musst Du technisch umsetzen?
Das Gesetz ist da clever: Statt technische Details direkt ins Gesetz zu schreiben (die schnell veralten), verweist es auf externe Standards. Für Dich als Website-Betreiber ist § 4 BFSG [3] entscheidend: Deine Website gilt als barrierefrei, wenn sie den "harmonisierten Normen" entspricht, die im Amtsblatt der EU [6] veröffentlicht sind.
Und welche Norm ist das? Mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2021/1339 [7] wurde genau eine Norm für Websites festgelegt: Die EN 301 549 (Version 3.2.1) [8]
Diese Norm legt die technischen Anforderungen fest. Und wenn Du Dir Kapitel 9 (Web) dieser Norm [8] ansiehst, stellst Du fest: Sie basiert fast 1:1 auf den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 [9] auf Level A und AA.
Der Blick in die Zukunft: WCAG 2.2
Aber Achtung! Die Tinte unter der EN 301 549 v3.2.1 ist kaum trocken, da arbeitet die EU schon am nächsten Update.
In den Durchführungsbeschluss der Komission C(2022) 6456 [10] ist die Aktualisierung bereits beauftragt und im entsprechenden Arbeitsprogramm M/587 [11] durchgeführt. Die Norm EN 301 549 soll im Kapitel "Web" an die WCAG 2.2 [12] angepasst werden, die im Oktober 2023 veröffentlicht wurden.
Diese neue Version der Norm wird voraussichtlich Ende 2025 oder Anfang 2026 im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Sobald das passiert, wird WCAG 2.2 der neue gesetzliche Standard.
Warum Du schon jetzt auf WCAG 2.2 setzen solltest
Du denkst jetzt vielleicht: "Super, dann warte ich bis 2026." – Schlechte Idee!
Das W3C, das die WCAG entwickelt, sagt klar: WCAG 2.2 baut auf 2.1 auf und nutzt dasselbe Konformitätsmodell [13]. WCAG 2.2 fügt neue Kriterien hinzu (z.B. für Fokus-Sichtbarkeit und Drag-Interaktionen), ändert aber kaum etwas an den bestehenden.
Wenn Du also jetzt ein neues Projekt startest oder einen Relaunch planst, bist Du extrem gut beraten, Dich direkt an WCAG 2.2 (Level A & AA) zu orientieren.
Warum?
- Zukunftssicherheit: Du erfüllst automatisch die "alten" Anforderungen von 2.1 und bist auf die neue Norm vorbereitet, ohne 2026 nachbessern zu müssen.
- Bessere UX: Die neuen Kriterien in 2.2 beheben echte Usability-Probleme, von denen alle Deine Nutzer profitieren.
Warte nicht auf den Stichtag. Digitale Barrierefreiheit ist kein Sprint bis 2025, sondern ein Marathon. Fang jetzt an und setze direkt auf den modernen Standard.
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) markiert einen Wendepunkt für digitale Barrierefreiheit in der EU. Ab dem 28. Juni 2025 sind viele private Anbieter verpflichtet, ihre Websites und Apps barrierefrei zu gestalten.
Die Grundlage dafür ist die EN 301 549 v3.2.1, die auf WCAG 2.1 basiert. Doch der Blick in die Zukunft zeigt: WCAG 2.2 wird bald der neue Standard sein.
Wenn Du also jetzt ein neues Projekt startest oder einen Relaunch planst, solltest Du Dich direkt an WCAG 2.2 orientieren. So bist Du nicht nur gesetzeskonform, sondern bietest auch eine bessere Nutzererfahrung für alle.
Was Du als Nächstes tun solltest
Hier sind die nächsten Schritte, die Du gehen solltest, um Dein digitales Angebot BFSG-konform zu machen:
- Mach als Erstes den BFSG-Check, um herauszufinden, ob Deine Website betroffen ist. Dann kannst Du gezielt die nächsten Schritte planen.
- Falls ja, erkundige Dich im Bereich "Welche Ausnahmen gibt es im BFSG?" über mögliche Sonderregelungen.
- Falls Du keine Ausnahme für Dich gefunden hast, schau Dir den Abschnitt Risiken und Bußgelder bei Nicht-Einhaltung des BFSG an, um die Konsequenzen zu verstehen.
- Ich empfehle Dir dringend, die Vorlage für die Barrierefreiheitserklärung gemäß BFSG auszufüllen und auf Deiner Website zu veröffentlichen. Das ist ein wichtiger Schritt zur Transparenz und zeigt Dein Engagement für Barrierefreiheit.
- Der Artikel Wie läuft eine behördliche BFSG-Prüfung ab? hilft Dir, Dich auf mögliche Kontrollen vorzubereiten.
- Und fallst Du Fragen hast, schau in den BFSG-FAQ vorbei. Dort findest Du Antworten auf die häufigsten Fragen rund um das Thema aus unserer Praxis.
Barrierefreiheit ist kein "Nice-to-have" mehr – sie ist Pflicht. Aber sie ist auch eine Chance, Dein Angebot für alle zugänglich zu machen und damit Deine Reichweite und Deinen Erfolg zu steigern.
Also, los geht's!
Haftungsausschluss
Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar und ersetzt keine professionelle juristische Beratung. Die Informationen basieren auf dem Stand vom Oktober 2025 und können sich ändern. Für eine verbindliche Rechtsberatung wende Dich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt oder eine andere Fachperson im Bereich Barrierefreiheit und IT-Recht.