Wie läuft eine behördliche Prüfung Deiner Website gemäß BFSG ab?
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Autor: Dmitry Dugarev
So, Du hast Deine Website für das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) fit gemacht, aber eine Restunsicherheit bleibt: Was passiert eigentlich, wenn eine Behörde das Ganze überprüft? Kommt da ein Brief? Testen die heimlich? Und was passiert, wenn sie einen Fehler finden?
Das BFSG regelt das ziemlich detailliert. Für Dich als Betreiber einer Website (was als "Dienstleistung" im Sinne des Gesetzes gilt) sind vor allem § 28 (Marktüberwachung von Dienstleistungen) und die Anlage 1 (Überwachung von Dienstleistungen) entscheidend [1].
Ich zeige Dir hier Schritt für Schritt, wie eine solche Prüfung abläuft und was die Konsequenzen sein können.
Wie wird eine Prüfung ausgelöst?
Es gibt zwei Hauptwege, wie die Marktüberwachungsbehörde auf Dich aufmerksam wird:
- Proaktive Stichprobe (Der Normalfall): Die Behörde muss nicht warten, bis sich jemand beschwert. Sie ist verpflichtet, "auch ohne konkreten Anlass anhand angemessener Stichproben" Websites zu prüfen (laut § 28 Abs. 2 BFSG [1]). Deine Website kann also einfach zufällig ausgewählt werden.
- Verbraucher-Antrag (Der Beschwerdefall): Ein Verbraucher oder ein Verband (z.B. ein Behindertenverband) stellt bei der Behörde einen Antrag auf Einleitung eines Verfahrens gegen Dich (laut § 32 Abs. 1 u. 2 BFSG [1]). Das passiert, wenn ein Nutzer Deine Website nicht bedienen kann und eine offizielle Prüfung anstößt.
Der Prüfprozess: Was genau schaut sich die Behörde an?
Wenn Deine Website geprüft wird, passiert das nicht "irgendwie". Die Anlage 1 des BFSG [1] gibt der Behörde eine genaue "Überwachungsmethode" und "Stichproben"-Definition vor.
Die Behörde prüft Deine Website technologieneutral auf die vier Prinzipien der Barrierefreiheit: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit.
Was wird geprüft? (Die Stichprobe nach Anlage 1 Nr. 2)
Die Behörde wählt eine Stichprobe von Seiten aus, die mindestens folgende Bereiche umfasst:
- Die "Klassiker":
- Startseite (Home)
- Login-Seite
- Sitemap
- Kontakt-Seite
- Hilfeseiten
- Rechtliche Informationen (Impressum, Datenschutz)
- Deine Kern-Dienstleistung:
- Mindestens eine relevante Seite für jede Art von Dienstleistung. Im E-Commerce wäre das z.B. eine Kategorieseite, eine Produkt-Detailseite und der gesamte Check-out-Prozess.
- Die Pflicht-Seite:
- Die Seite mit Deinen Informationen zur Barrierefreiheit. (Diese Info ist Pflicht nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 BFSG [1]. Für Details siehe unsere Vorlage für die Barrierefreiheitserklärung gemäß BFSG.)
- Zufall & Vielfalt:
- Seiten mit deutlich anderem Layout oder Inhalt.
- Mindestens 10% weitere, zufällig ausgewählte Seiten.
Der Ablauf: Was passiert, wenn Mängel gefunden werden?
Hier ist der Eskalationsprozess, den das Gesetz in § 29 (Materielle Mängel) und § 30 (Formale Mängel) vorschreibt [1].
Die zwei Arten von Mängeln
- Formale Nichtkonformität (§ 30 BFSG): Das ist quasi ein "Papierkram"-Fehler. Dir fehlt zum Beispiel die gesetzlich vorgeschriebene Information, wie barrierefrei Deine Website ist (die Du nach § 14 i.V.m. Anlage 3 BFSG brauchst).
- Materielle Nichtkonformität (§ 29 BFSG): Das ist der "echte" Barrierefreiheits-Fehler. Dein Kontaktformular ist nicht per Tastatur bedienbar, die Schriftkontraste sind zu gering, Bilder haben keine Alternativtexte etc.
Die Eskalationsstufen
Wie Du im Schema siehst, ist der Prozess bei beiden Mängelarten fast identisch und soll Dir eine Chance zur Besserung geben:
- Stufe 1 (Aufforderung): Die Behörde findet einen Mangel und schickt Dir einen Bescheid. Darin steht, was nicht konform ist und Du bekommst eine "angemessene Frist", um den Mangel zu beheben (§ 29 Abs. 1 / § 30 Abs. 1 BFSG).
- Stufe 2 (Androhung): Du lässt die Frist verstreichen. Die Behörde schickt eine zweite Aufforderung, wieder mit Frist, aber diesmal mit der "Androhung der Untersagung" (§ 29 Abs. 2 / § 30 Abs. 3 BFSG). Das ist der "letzte Warnschuss".
- Stufe 3 (Maßnahme): Du ignorierst auch die zweite Frist. Jetzt wird es ernst. Die Behörde kann "die erforderlichen Maßnahmen" treffen, um die Nichtkonformität abzustellen. Explizit genannt ist die Befugnis, "das Angebot oder die Erbringung der Dienstleistung einzustellen" (§ 29 Abs. 3 BFSG). Im Klartext: Die Behörde kann Dir den Betrieb Deiner Website untersagen.
Hier das Schema zum Ablauf:
Textbeschreibung für "Flussdiagramm: Ablauf einer behördlichen Prüfung und
Eskalation" öffnen
Dieses Flussdiagramm beschreibt den schrittweisen Prozess, den die Marktüberwachungsbehörde bei der Prüfung einer Dienstleistung nach dem BFSG durchläuft.
- Der Prozess beginnt bei "Start: Behördliche Prüfung (Zufall nach § 28 oder Antrag nach § 32)" (A).
- Erste Entscheidung: "Mängel gefunden?" (B)
- Nein: Der Prozess führt zu "Perfekt! Verfahren beendet." (C, grün).
- Ja: Der Prozess führt zu "Mangel festgestellt (Egal ob Formal § 30 oder Materiell § 29)" (D).
- Stufe 1 (Aufforderung): "Aufforderung zur Korrektur (mit angemessener Frist)" (F).
- Zweite Entscheidung: "Frist verstrichen?" (G)
- Nein (Mangel behoben): Der Prozess führt zu "Perfekt! Verfahren beendet." (C, grün).
- Ja (nicht behoben): Der Prozess führt zu Stufe 2.
- Stufe 2 (Androhung): "Erneute Aufforderung (mit Androhung der Untersagung)" (H).
- Dritte Entscheidung: "Frist verstrichen?" (I)
- Nein (Mangel behoben): Der Prozess führt zu "Perfekt! Verfahren beendet." (C, grün).
- Ja (nicht behoben): Der Prozess führt zu Stufe 3.
- Stufe 3 (Maßnahme): "Maßnahme (z.B. Untersagung der Website)" (J, rot).
- Nach der Maßnahme kann parallel ein "Bußgeld-Verfahren (§ 37) parallel möglich" (Z, rot) eingeleitet werden.
Risiken: Was droht bei einer Prüfung?
Die Untersagung Deiner Website (Stufe 3) ist das "Worst-Case"-Szenario. Viel wahrscheinlicher – und parallel möglich – ist ein Bußgeld.
Ein angewandtes Beispiel: Prüfung von barrierenlos.com
Schauen wir uns das Ganze an einem praktischen Beispiel an, unserer Website barrierenlos.com.
B2B oder B2C? Die "Verbraucher"-Falle
Deine erste Überlegung ist vielleicht: "Ihr seid doch B2B, das BFSG gilt für euch nicht." Vorsicht! Das Gesetz gilt für Dienstleistungen "für Verbraucher" (§ 1 Abs. 3 BFSG).
- Unser Accessibility‑Hub wird von jedem gelesen, auch von Verbrauchern.
- Die BFSG-Checkliste kann von einem Verbraucher für sein privates Projekt heruntergeladen werden.
- Ein Verbraucher könnte unser Semanticality™ Plugin für seine private Website kaufen.
Was würde die Behörde prüfen? (Die Stichprobe)
Basierend auf Anlage 1 würde eine Prüfung unserer Website wahrscheinlich so aussehen:
- Die "Klassiker":
- Die Pflicht-Seite:
- Unsere Barrierefreiheitserklärung (formale Prüfung nach § 30)
- Unsere Kern-Dienstleistungen (Die Prozesse!):
- Landing-Page "BFSG-Checkliste"
- Landing-Page "Barrierefreiheits-Audit"
- Landing-Page "Semanticality Plugin"
- Zufall & Vielfalt:
- Ein oder zwei zufällige Blog-Artikel (Prüfung von Überschriften, Kontrasten, Alt-Texten etc.)
Die kritischen "Prozesse" (Die Stolpersteine)
Hier wird es für uns am spannendsten, denn hier greift die "Prozess-Falle" (Anlage 1 Nr. 2c BFSG). Die Behörde prüft den gesamten Weg.
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Prozess 1: Checklisten-Download
- Die Behörde prüft nicht nur die Landing-Page, sondern den gesamten Prozess:
- Ist das E-Mail-Formular per Tastatur bedienbar?
- Sind die Felder (
label) korrekt beschriftet? - Sind Fehlermeldungen (z.B. "E-Mail ungültig") barrierefrei?
- Ist die Bestätigungsseite / "Danke"-Nachricht barrierefrei?
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Prozess 2: Audit-Kauf (Stripe-Link)
- Hier ist "nur" ein Link zu Stripe gesetzt. Die Behörde prüft, ob dieser Link barrierefrei ist (z.B. "Jetzt Audit buchen" statt "hier klicken").
- Die Stripe-Checkout-Seite selbst ist knifflig. Sie könnte als "Inhalt Dritter" (§ 1 Abs. 4 Nr. 4 BFSG) durchgehen, den wir nicht kontrollieren. Wahrscheinlicher ist aber, dass Stripe als Zahlungsdienstleister selbst EAA/BFSG-konform sein muss. Unsere Verantwortung endet hier weitgehend hinter dem Link. Mehr dazu in unserem Artikel "Ausnahmen für Website-Inhalte verstehen".
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Prozess 3: Plugin-Kauf (Freemius-Popup)
- Das ist unser größtes Risiko. Das Freemius-Checkout-Popup öffnet sich auf unserer Website. Es ist integraler Bestandteil unseres Verkaufsprozesses.
- Die Behörde prüft diesen Prozess komplett:
- Kann das Popup per Tastatur geöffnet und geschlossen werden?
- Bleibt der Fokus im Popup (Fokus-Falle)?
- Können alle Formularfelder, Buttons und Preis-Optionen im Popup von einem Screenreader gelesen und bedient werden?
- Wenn dieses Popup nicht barrierefrei ist, ist unsere "Dienstleistung" (Verkauf des Plugins) nicht konform. Dabei können wir nur schwer argumentieren, dass es sich um "Inhalt Dritter" handelt, da das Popup ja auf unserer Seite erscheint und Teil unseres Verkaufsprozesses ist. Am sichersten wäre es, wenn Freemius selbst eine barrierefreie Version des Popups anbietet oder wenn wir einen Zahlungslink nutzen, wie bei Stripe.
Fazit
Eine behördliche Prüfung ist kein Hexenwerk, sondern ein klar geregelter Prozess. Die Behörde muss Dir Fristen zur Nachbesserung geben.
- Zwei Auslöser: Die Prüfung kommt entweder zufällig (Stichprobe) oder weil sich jemand beschwert hat.
- Klare Prüfregeln: Die Behörde prüft nach dem Schema der Anlage 1 und testet alle Deine Kernprozesse (z.B. den gesamten Check-out).
- Fristen-System: Du bekommst (mindestens) zwei Chancen zur Nachbesserung, bevor der Betrieb Deiner Website untersagt werden kann.
- Hohe Bußgelder: Unabhängig von den Fristen kann eine festgestellte Nichtkonformität als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld geahndet werden.
Der beste Schutz ist, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Sorge dafür, dass Deine Kernprozesse und die "Pflichtseiten" (Kontakt, Impressum etc.) sauber barrierefrei umgesetzt sind.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Prüft die Behörde auch meine App?
Ja. Das BFSG gilt für "Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr", die über "Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten" angeboten werden (§ 1 Abs. 3 Nr. 5 BFSG). Der hier beschriebene Prüfprozess nach § 28 und Anlage 1 gilt für Deine Website und Deine native App gleichermaßen.
Muss ich der Behörde irgendwie helfen?
Ja. Du hast als Dienstleistungserbringer eine Kooperationspflicht. Auf "begründetes Verlangen" musst Du der Behörde alle Auskünfte erteilen, die sie für den Nachweis der Konformität braucht, und bei Maßnahmen zur Herstellung der Konformität kooperieren (§ 14 Abs. 5 BFSG).
Was ist, wenn ich mich auf § 17 (Unverhältnismäßige Belastung) berufen habe?
Das ist ein wichtiger Punkt. Wenn die Behörde eine Prüfung durchführt, wird sie auch Deine Berufung auf eine Ausnahme prüfen. Sie prüft dann (laut § 28 Abs. 3 BFSG):
- Ob Du die Beurteilung überhaupt durchgeführt hast.
- Ob Deine Beurteilung (z.B. die Kosten-Nutzen-Rechnung) korrekt ist.
- Ob Du alle übrigen Anforderungen (die nicht von der Ausnahme betroffen sind) einhältst.
Wenn Deine Berufung auf die Ausnahme als nicht gerechtfertigt angesehen wird, gilt Deine Website als "nicht konform" und der Prozess aus § 29 (siehe Schema oben) wird ausgelöst.
Haftungsausschluss
Dieser Artikel dient ausschließlich der Information und stellt keine Rechtsberatung dar. Die Darstellung des Prüfverfahrens ist vereinfacht. Ich übernehme keine Haftung für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der hier dargestellten Informationen. Bitte ziehe für Deine spezifische Situation unbedingt einen spezialisierten Anwalt hinzu.